Verzicht zu Gunsten der Anstellung und Notwendigkeit der dreijährigen Tätigkeit
15.03.2022

Verzicht zu Gunsten der Anstellung und Notwendigkeit der dreijährigen Tätigkeit

Verzicht zu Gunsten der Anstellung und Notwendigkeit der dreijährigen Tätigkeit

In der Regel erfolgt eine Praxisübergabe in gesperrten Planungsbereichen, indem der Praxisabgeber zunächst einen Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens beim Zulassungsausschuss stellt und anschließend auf seine Zulassung verzichtet. Bei dieser Vorgehensweise wird der Praxissitz öffentlich ausgeschrieben und jeder Arzt kann sich hierauf bewerben. Der Zulassungsausschuss hat gem. § 103 Abs. 4 S. 4 SGB V nach Ablauf der Bewerbungsfrist unter mehreren Bewerbern den Nachfolger für den Vertragsarztsitz des Abgebers nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Weder der Wunsch des Abgebers einen konkreten Bewerber zu berücksichtigen noch der Kaufpreis spielen für den Zulassungsausschuss bei seiner Auswahlentscheidung eine entscheidende Rolle, zumindest solange alle Bewerber bereit sind, den Verkehrswert der Praxis zu zahlen.

 

Eine andere Möglichkeit die Praxis zu „übertragen“ bzw. die Praxis zu verwerten bietet das Institut des Verzichtes auf die Zulassung zu Gunsten der Anstellung in einem MVZ, einer Berufsausübungsgemeinschaft oder bei einem anderen Vertragsarzt. Dieser Vorgang ist „bedarfsplanungsneutral“ und es kommt somit nicht zur Ausschreibung und es kommt demzufolge auch zu keiner Auswahlentscheidung seitens des Zulassungsausschusses. Bei Beendigung der Angestelltentätigkeit ist die spätere Nachbesetzung der Arztstelle ohne Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses möglich. Für die derartige Verwertung der Praxis erhält der verzichtende Arzt eine Kaufpreiszahlung des Erwerbers.

 

Diese Möglichkeit der „Praxisübernahme“ führte in der Vergangenheit dazu, dass der Verzicht zu Gunsten der Anstellung erklärt wurde und nach einer juristischen Sekunde, teilweise noch in der gleichen Sitzung des Zulassungsausschusses, die Tätigkeit des Angestellten wieder beendet wurde und die Arztstelle gleichzeitig mit einem anderen Arzt nachbesetzt wurde.

 

Mit Urteil vom 04.05.2016 hat das Bundessozialgericht dieser Praxis eine Absage erteilt und entschieden, dass eine Nachbesetzung nur dann erfolgen kann, wenn der Arzt nach dreijähriger Tätigkeit die Anstellung beendet (BSG, Urteil vom 04.05.2016, Az. B 6 KA 21/15 R). Dabei wird als zulässig erachtet, dass die Tätigkeit nach jedem Jahr um einen Faktor von 0,25 (dies entspricht einer Arbeitszeit von bis zu 10 Wochenstunden) reduziert werden darf. Trotz einer derartigen Reduzierung bleibt die Möglichkeit zur Nachbesetzung der vollen Arztstelle erhalten. Noch nicht entschieden ist der Fall, in dem es sich von vornherein um eine hälftige Zulassung bzw. der Verzicht zu Gunsten der hälftigen Anstellung handelt. Es ist offen, ob hier entsprechend verfahren werden kann bzw. wenn ja, wie die Reduzierungsschritte aussehen könnten.

 

Durch die dreijährige Bindung des Praxisabgebers soll ein Gestaltungsmissbrauch vorgebeugt werden und die Umgehung des gesetzlich vorgeschriebenen Nachbesetzungs-/Auswahlverfahrens verhindert werden. Nur in Ausnahmefällen wird die Nachbesetzung auch bei Beendigung der Tätigkeit vor Ablauf der 3-Jahres-Frist als zulässig erachtet, etwa in den Fällen, denen der Arzt nach Aufnahme der Tätigkeit unvorhergesehen erkrankt. Maßgeblich für den Erhalt des Nachbesetzungsrechts für die Arztstelle ist letztlich, dass der Arzt ursprünglich die Absicht hatte, drei Jahre mitzuarbeiten. Der Praxisübernehmer wird sich die dreijährige Mitarbeit in der Regel vertraglich absichern.

 

Sofern der Praxisabgeber seine Tätigkeit nicht gleich beenden und in den Ruhestand gehen möchte, jedoch die Belastungen und Verantwortlichkeiten, die mit einer selbstständigen Tätigkeit einhergehen, ein wenig reduzieren möchte, bietet der Verzicht zu Gunsten der Anstellung die Möglichkeit einer strukturierten Praxisübergabe. Zudem bietet dieser den Vorteil, dass in der Regel und nach Willen des Gesetzgebers keine Entscheidung des Zulassungsausschusses über das „Ob“ der Nachbesetzung sowie eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern getroffen wird.

 

Bei der Planung der vertraglichen und/oder vertragsärztlichen Begleitung eines solchen Vorhabens unterstützen wir Sie gerne. 

Kim Gappa

Rechtsanwältin