Zulassungsentziehung bei unklarer Vertragslage (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.09.2022)
19.05.2023

Zulassungsentziehung bei unklarer Vertragslage (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.09.2022)

Zulassungsentziehung bei unklarer Vertragslage (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.09.2022)

Einem Vertrags(zahn)arzt wird eine Fülle an Pflichten auferlegt, die sich aus Gesetz, Satzung, Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung, Richtlinien des GBA oder sonstigen Rechtsbestimmungen ergeben. Dies umfasst nicht nur Pflichten gegenüber den Patienten, sondern auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. Hier als Laie den Überblick zu bewahren ist nahezu unmöglich.


Liegt eine gröbliche Pflichtverletzung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung vor, also ist die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Vertragsarztes in erheblichem Maße verletzt und dadurch das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört, sodass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht zumutbar ist, kann dies neben Honorarrückforderungen und disziplinarischen Ahndungen auch die Entziehung der Zulassung rechtfertigen. Dies ist gemäß eines Urteils des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg der Fall, wenn die maßgebenden Vertragswerke (im vorliegenden Fall üBAG-Verträge und Praxiskaufverträge), die die berufliche Zusammenarbeit der Vertragsärzte betreffen, so konzipiert sind, dass die Mitglieder, die Struktur und die Organisation der beabsichtigten Kooperation von den Zulassungsbehörden nicht mehr jederzeit nachvollzogen werden können. Sind diese inhaltlich unübersichtlich, teilweise widersprüchlich und in ihren Regelungen diffus und damit letztlich laienhaft und planlos gestaltet, und führt dies zu einer unübersichtlichen Vertragslage, stellt dies nach Überzeugung des Gerichts einen selbstständigen Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten dar. Auch der Einwand, dass man als Arzt und damit juristischer Laie den Vertrag erstellt hat, entlastet nicht, da der Vertragsarzt sich vor Vertragsgestaltung ausreichenden juristischen Sachverstand anzueignen oder sich um juristische Beratung zu kümmern hat. Unterlässt der Vertragsarzt dies, so verletzt er seine Sorgfaltspflicht, die ihm als Vertragsarzt hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gewählten Kooperationsform obliegt. Ein einmaliger Verstoß, auch ungeachtet des Verhaltens in der Zukunft, kann bereits genügen. Dies begründet das LSG Berlin-Brandenburg damit, dass jederzeit eine neue Zulassung beantragt werden kann und im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens die Voraussetzungen für die Zukunft geprüft werden. 


Ob man eine solche Entscheidung auch 1:1 auf Vertragsärzte übertragen kann, denen die Beantragung einer neuen Zulassung aufgrund von Zulassungsbeschränkungen verwehrt ist, bleibt offen. 


Vorsorglich empfiehlt es sich daher, komplexe Verträge, wie Praxiskaufverträge und (ü)BAG/Gesellschaftsverträge durch Juristen erstellen zu lassen, die eine entsprechende Expertise im Medizinrecht/Vertragsarztrecht und Unternehmenskauf- bzw. Gesellschaftsrecht aufweisen.


Wir von HFBP übernehmen dies gern für Sie!


Claudia Keiner

Rechtsanwältin