Patienten haben das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Kopie ihrer Patientenakte (Urteil des EuGH vom 26.10.2023 – C-307/22)
17.11.2023

Patienten haben das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Kopie ihrer Patientenakte (Urteil des EuGH vom 26.10.2023 – C-307/22)

Patienten haben das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Kopie ihrer Patientenakte (Urteil des EuGH vom 26.10.2023 – C-307/22)

Was war passiert?


Ein Patient (P) verlangte von seiner behandelnden Zahnärztin (Z) die unentgeltliche Kopie seiner Patientenakte. P hatte den Verdacht, dass Z ein Behandlungsfehler unterlaufen war und wollte daher gegen sie Haftungsansprüche geltend machen. Z wollte ihm die Kopie nur unter der Bedingung der Kostenübernahme für die Kopie seiner Patientenakte aushändigen. P klagte auf die Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen ersten Kopie seiner Patientenakte. Der Rechtsstreit landete vor dem Bundesgerichtshof.


Der Bundesgerichtshof (BGH) war der Ansicht, dass für die Beantwortung dieser Frage die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von Relevanz ist und ohne die Auslegung der Bestimmungen der DSGVO eine Entscheidung in dem Rechtsstreit vom BGH nicht getroffen werden könne. Der BGH legte daher Fragen zur Vorentscheidung an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.


Mit einem Vorabentscheidungsersuchen haben dabei die Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit, dem EuGH im Rahmen eines Rechtsstreits, über den sie zu entscheiden haben, Fragen betreffend die Auslegung von Unionsrecht vorzulegen. Die nationalen Gerichte entscheiden sodann unter Zugrundelegung der Entscheidung des EuGH, da Entscheidungen des EuGH in gleicher Weise wie die der nationalen Gerichte binden.


Was wurde entschieden?


In seinem Urteil stellt der EuGH fest, dass in der DSGVO das Recht des Patienten verankert ist, eine unentgeltliche erste Kopie seiner Patientenakte zu erhalten. Patienten seien dabei nicht verpflichtet ihren Antrag zu begründen. Auch im Hinblick auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Behandelnden sei die entgeltliche Zurverfügungstellung einer ersten Kopie der Patientenakte nicht zu rechtfertigen. Hintergrund hierfür sei die Regelung in Art. 12 Abs. 5 DSGVO, wonach Auskünfte unentgeltlich erfolgen müssen. Der EuGH hat damit den nationalen Regelungen widersprochen. Bislang war es Behandlern möglich gemäß § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB ein Entgelt für die Kopie der Patientenakte vom Patienten zu verlangen. Das ist aufgrund des Urteils des EuGH nicht mehr möglich!


Der EuGH entschied auch, dass die in der Patientenakte befindlichen Dokumente unter Umständen vollständig kopiert werden müssen, wenn dies erforderlich sei. Hierzu führte der EuGH aus, dass Patienten in der Lage sein müssen die Daten zu verstehen und deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Hierfür könne eine vollständige Kopie der Patientenakte erforderlich sein. Dies schließe dabei auch Informationen wie Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen ein.


Eine unentgeltliche Kopie der Patientenakte ist allerdings dann nicht mehr zur Verfügung zu stellen, wenn der Patient bereits eine erste unentgeltliche Kopie seiner Patientenakte erhielt und zum wiederholten Mal eine solche beim Behandler anfordert.

Yadel Ulusoy

Rechtsanwältin