Neulandmethoden im Krankenhaus – Erleichterung der Abrechnungsvoraussetzung
23.02.2024

Neulandmethoden im Krankenhaus – Erleichterung der Abrechnungsvoraussetzung

Neulandmethoden im Krankenhaus – Erleichterung der Abrechnungsvoraussetzung

Es liegt nicht immer auf der Hand, wie Krankenhäuser die Behandlung mittels neuartiger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden abrechnen können. Bestehende Vergütungsregelungen für die Leistungserbringung durch neuartige Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB oder Neulandmethoden) unterliegen nur langsamen, gesetzgeberischen Anpassungen. Umso erfreulicher, dass der Gesetzgeber mit § 137c Abs. 3 SGB V die Möglichkeit geschaffen hat, im Rahmen der stationären Behandlung auch bereits solche Leistungen abzurechnen, die das Potential haben, die Behandlung der PatientInnen zu verbessern, solange der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese nicht ausdrücklich verboten hat. So heißt es in § 137c Abs. 3 SGB V wörtlich:


„Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung […] getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erfolgreichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. […]“

 

Im Rahmen einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 13.12.2022, Aktenzeichen B 1 KR 33/21 R stellte dieses fest, dass die Abrechnung einer NUB zulasten der Krankenkassen erfolgsversprechend ist, soweit die erbrachte Behandlungsmaßnahme eine echte Behandlungsalternative zu einer bereits anerkannten Behandlungsmethode sei. Nach dem BSG hat eine Behandlungsmethode das Potential einer Behandlungsalternative, wenn mangels aussagekräftiger wissenschaftlicher Unterlagen weder der Nutzen noch die Schädlichkeit oder Unwirksamkeit einer Methode festgestellt werden könne, diese Methode aber aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass sie – im Vergleich zum bisherigen Standard – eine effektive Behandlung ermögliche. Diese Wissenslücke müsse zumindest theoretisch mit einer einzigen Studie nach dem Standard der evidenzbasierten Medizin in einem begrenzten Zeitraum geschlossen werden können. Jedenfalls wenn der G-BA eine Erprobungsrichtlinie nach § 137e SGB V beschlossen habe, sei von einem ausreichenden Potential auszugehen. Ansonsten seien die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse auszuwerten (vgl. BSG-Urteil vom 13.12.2022, Aktenzeichen B 1 KR 33/21 R, Rn. 28).


Der Potentialmaßstab der in Rede stehenden Behandlungsmethode geht dann dem grundsätzlich geltenden allgemeinen Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V voraus, solange folgende Voraussetzungen erfüllt sind:


  • es liegt eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vor;
  • es ist keine andere Standardmethode verfügbar;
  • die Leistung bietet das Potential einer erfolgreichen Behandlungsalternative.

Sofern eine Standardmethode verfügbar ist, diese allerdings so gravierend und zudem irreversibel wäre, dass sie letztendlich keine gleichwertige Alternative darstellt, ist ebenfalls von der infragestehenden NUB als Behandlungsalternative auszugehen.


Bei Fragen können wir gerne Ihren konkreten Fall und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 137c Abs. 3 SGB V mit Ihnen besprechen und für Sie prüfen.

 

Wir empfehlen Ihnen, bei Anwendung neuartiger Verfahren auch die besonderen Anforderungen, die an die Aufklärung der PatientInnen gestellt werden, zu beachten (vgl. BSG-Urteil vom 19.03.2020, Aktenzeichen B 1 KR 20/19 R). Soweit die gewählte Behandlungsmethode ein hohes Risiko schwerwiegender (irreversibler) Schäden (insbesondere ein hohes Mortalitätsrisiko) birgt, sollte die umfassende, schonungslose Aufklärung der PatientInnen und die hierauf beruhende Einwilligung auch besonders sorgsam dokumentiert werden.


Darüber hinaus raten wir Ihnen, gegenüber den Krankenkassen eine sorgsame medizinische Argumentation vorweisen zu können, die erkennen lässt, welche medizinischen Gründe für die gewählte Behandlung mit einer NUB sprechen. Diese medizinischen Erkenntnisse und Ihre dokumentierten Argumentationen sollten Sie, falls es zu einem Prüfverfahren der Krankenkasse kommt, vorlegen können.

Antonia Galante

Rechtsanwältin