Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Endet ein Arbeitsverhältnis, stellt sich oft die Frage wie mit dem vorhandenen Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer*innen umgegangen wird. In der Vergangenheit wurden Urlaubsansprüche in der Praxis häufig durch einen Tatsachenvergleich erledigt – es wurde vereinbart, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt sind.“


Genau mit diesem Sachverhalt hat sich das Bundesarbeitsgericht jüngst auseinandersetzen müssen, Urteil vom 3. Juni 2025 - 9 AZR 104/24. Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass die Parteien eines Arbeitsverhältnisses über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub nicht disponieren können.


Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten verlangt, die noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaub aus dem Jahr 2023 mit einem Betrag iHv. 1.615,11 Euro nebst Zinsen abzugelten. Der im gerichtlichen Vergleich geregelte Verzicht auf den unabdingbaren Mindesturlaub sei unwirksam. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision der Beklagten – mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der Zinsforderung – zurückgewiesen. Der Kläger hatte somit Anspruch auf Abgeltung seines nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023.


Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts folgt, dass eine Vereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich, mit welcher Arbeitnehmer auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub verzichten oder dieser pauschal als "gewährt" erklärt wird, als unwirksam zu qualifizieren ist, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht. Entscheidend für die Urteilsfindung des Bundesarbeitsgerichts war dabei, dass das Arbeitsverhältnis noch bestand und der Urlaubsanspruch zum Zeitpunkt des Vergleichs somit noch nicht in einen Abgeltungsanspruch übergegangen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat damit klargestellt, dass der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht im Voraus ausgeschlossen oder eingeschränkt werden darf.  Anders würde es sich verhalten, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits beendet ist und Gegenstand des Vergleichs folglich ein bereits entstandener Abgeltungsanspruch wäre. Denn um noch im Raum stehende Urlaubsansprüche wirksam abzugelten, muss das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Vereinbarung folglich bereits beendet sein. Dies gelte auch, wenn bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann.


Vertraglich vereinbarter Mehrurlaub unterliegt hingegen nicht der vorgenannten Einschränkung und kann wie in der Vergangenheit häufig vorgenommen pragmatisch gehandhabt werden. Ob ein Tatsachenvergleich geeignet ist, die Interessen der beteiligten Parteien ausgewogen zu wahren, muss künftig im konkreten Einzelfall geprüft werden. Eine pauschale Berufung auf einen solchen Vergleich hat das BAG jedoch strikt abgelehnt.

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Larissa-Monique Ernsting

Rechtsanwältin