Erstattung von Mutterschutzlohnkosten einer zahnärztlichen Praxis durch gesetzliche Krankenkasse bei Vorliegen eines Stillbeschäftigungsverbots einer angestellten Zahnärztin
Erstattung von Mutterschutzlohnkosten einer zahnärztlichen Praxis durch gesetzliche Krankenkasse bei Vorliegen eines Stillbeschäftigungsverbots einer angestellten Zahnärztin
Das Hessische Landessozialgericht hat entschieden, dass die gesetzliche Krankenkasse einer angestellten Zahnärztin die Kosten des von der zahnärztlichen Praxis verauslagten Mutterschutzlohns wegen eines Stillbeschäftigungsverbots zu tragen hat, auch wenn eine angestellte Zahnärztin ihr Kind länger als zwölf Monate stillt (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 04.06.2025 – L 8 KR 216/24).
Eine zahnärztliche Praxis hat eine gesetzliche Krankenkasse aus Zahlung von verauslagten Mutterschutzlohnkosten verklagt, weil die Krankenkasse sich wehrte, die Kosten des Mutterschutzlohns einer stillenden angestellten Zahnärztin zu erstatten. Hintergrund war der, dass eine in der zahnärztlichen Praxis angestellte Zahnärztin im Anschluss an ihre Schwangerschaft ihr Kind stillte. Angesichts der mit ihrer Tätigkeit als Zahnärztin einhergehenden Gefahren sprach die zahnärztliche Praxis, in der sie angestellt ist, ein Stillbeschäftigungsverbot aus, weil gerade eine Gefahr der Infektion der Zahnärztin mit Biostoffen nicht ausgeschlossen werden konnte. In der Folge zahlte die Praxis einen Mutterschutzlohn und verlangte diesen von der gesetzlichen Krankenkasse der Zahnärztin ersetzt. Diese wehrte sich jedoch mit der Begründung, es sei nicht notwendig, ein Kind länger als zwölf Monate zu stillen und in der Folge sei auch nur für zwölf Monate Mutterschutzlohn zu erstatten.
Im Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht obsiegte die zahnärztliche Praxis. Das Gericht sprach der Praxis einen Anspruch auf das von der Praxis gezahlte Arbeitsentgelt nach dem sog. U2-Verfahren zu. Das Gericht führte aus, dass eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrer/m Arbeitgeber:in Mutterschutzlohn erhält. Dies gilt auch für stillende Frauen, wenn eine unverantwortbare Gefährdung besteht und keine andere Schutzmaßnahme greift.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 7 Abs. 2 MuSchG eine zeitliche Begrenzung der Zahlung des Mutterschutzlohns auf die ersten zwölf Lebensmonate eines Kindes aufweist. Diese zeitliche Begrenzung bezieht sich allein auf den Anspruch auf bezahlte Stillzeiten während der Arbeitszeit, sog. Stillpausen. Die Vorschrift ist dagegen nicht anwendbar, wenn ein Beschäftigungsverbot eingreift. In diesem Fall geht es nicht um Freistellungsansprüche für Stillzeiten während der Arbeitszeit, sondern um den Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG wegen einer unverantwortbaren Gefährdung der stillenden Frau. Insofern ist Arbeitgebenden auch über die 12-Monats-Frist des § 7 Abs. 2 MuSchG hinaus ein Schutz des Stillens zuzumuten.
Folglich war der zahnärztlichen Praxis der ausgezahlte Mutterschutzlohn auch über einen Zeitraum von zwölf Monaten nach der Entbindung hinaus zu erstatten – und zwar so lange wie die Zahnärztin ihr Kind stillt.
Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn zum Zeitpunkt der Gefährdungsbeurteilung von Arbeitgebenden gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die belegen, dass keine Gefährdung der angestellten Zahnärztin und ihres Kindes bei einer Beschäftigung als Zahnärztin mit Tätigkeiten am Behandlungsstuhl bestehen. Folglich wäre kein Beschäftigungsverbot auszusprechen. Derartige Erkenntnisse gab es zum Zeitpunkt der Gefährdungsbeurteilung in dieser Sache aber nicht. Abzuwarten bleibt, inwiefern sich dies für vergleichbare Fälle zukünftig ändern könnte.