Die Vertretung durch einen ehemals im MVZ angestellten Arzt kann im Einzelfall zulässig sein
29.10.2022

Die Vertretung durch einen ehemals im MVZ angestellten Arzt kann im Einzelfall zulässig sein

Die Vertretung durch einen ehemals im MVZ angestellten Arzt kann im Einzelfall zulässig sein

Ein Vertragsarzt ist verpflichtet seine vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Im Falle von Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an Fortbildungen bzw. Wehrübungen kann sich der Arzt bzw. die Ärztin zusätzlich aufgrund der Entbindung eines Kindes nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV durch einen Kollegen vertreten lassen. 


Diese Vertretungsoptionen wurden mit Wirkung zum 23.07.2015 auf angestellte Ärzte erweitert und zudem um die Option ergänzt, dass im Falle der Beendigung des Angestelltenverhältnisses für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten eine sog. Vakanzvertretung möglich ist.


Mit der Fragestellung, ob sich ein ehemals in einem MVZ angestellter Arzt auf dem vakant gewordenen Arztsitz selbst vertreten könne, hat sich erstmalig das Sozialgericht (SG) Marburg aufgrund einer durch unsere Kanzlei eingereichten Klage in einem Verfahren Anfang des Jahres auseinandergesetzt (SG Marburg, Urt. v. 19.01.2022 - S 17 KA 346/19).


Eine angestellte Ärztin beendete ihre Tätigkeit in dem klägerischen MVZ, welches von einem Krankenhaus gegründet wurde und betrieben wird. Da nicht unmittelbar ein geeigneter Nachfolger für diese vakante Arztstelle gefunden werden konnte, hatte die Ärztin (ihre Anstellung in diesem besagten Krankenhaus endete erst zu einem späteren Zeitpunkt) angeboten, ihre Tätigkeit – nunmehr als sog. Vakanzvertreterin – übergangsweise fortzusetzen. Diesen Umstand zeigte die Klägerin gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vor Beginn der (erneuten) Tätigkeit der Ärztin ordnungsgemäß an.

Die beklagte KV lehnte die Genehmigung der Ärztin mit der Begründung ab, dass ein Vertretung durch sich selbst nicht möglich sei. Die Ärzte-ZV verlange eine Personenverschiedenheit, die vorliegend nicht gegeben sei. In der Folge wurden ferner von der beklagten KV sämtliche Leistungen, die von der Ärztin während des Vertretungszeitraums erbracht und abgerechnet wurden, abgesetzt.


Das Gericht gelangte zur Überzeugung, dass in diesem speziellen Fall der Vakanzvertretung die Vertretung durch die bereits ausgeschiedene Ärztin möglich ist. Gründe, die gegen ihre Beschäftigung sprechen würden, seien für das Gericht nicht erkennbar.

Zwar sei nach reiner Wortlautauslegung des § 32 Abs. 1 S. 5 Ärzte-ZV eine Personenverschiedenheit erforderlich. Diese Regelung bezieht sich jedoch auf den in eigener Praxis niedergelassenen Vertragsarzt. 

Im Gegensatz zu der Beschäftigung eines Vertreters für einen selbstständig tätigen Vertragsarzt, der z.B. aufgrund von Urlaub abwesend ist, ist nach dem Ausscheiden eines angestellten Arztes die Vertretung durch eben diese Person – demnach sich selbst – nicht ausgeschlossen.

Durch Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) zum 01.01.2007 wurde niedergelassenen Vertragsärzten die Möglichkeit eingeräumt, Ärzte in der eigenen Praxis – ungeachtet des Job-Sharings – anzustellen. Dies fordert jedoch gleichzeitig eine deutlich höhere Flexibilität bei der Gestaltung der Versorgung und den Beschäftigungen selbst. Schließlich bedarf es oftmals aufgrund des kurzfristigen Ausscheidens angestellter Ärzte schneller Lösungen, um sich ergebende Unterbrechungszeiträume zu überbrücken. Insbesondere im Hinblick auf die kontinuierlichen Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sei die Beschäftigung eines Vertreters, der wie vorliegend kurz zuvor ausgeschieden sein mag, angezeigt.


Sollten auch bei Ihnen personelle Veränderungen bevorstehen oder bereits eingetreten sein, wenden Sie sich gerne bei Fragen hinsichtlich der Nachbesetzung vakanter Arztsitze an uns.


Ann-Kathrin Pfeifer

Rechtsanwältin