Beschäftigung von Vertretern und Assistenten in Ihrer vertragsärztlichen Praxis
02.08.2021

Beschäftigung von Vertretern und Assistenten in Ihrer vertragsärztlichen Praxis

Beschäftigung von Vertretern und Assistenten in Ihrer vertragsärztlichen Praxis

Grundsätzlich hat der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Von diesem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringungspflicht bestehen in sehr engen Grenzen Ausnahmen, welche sich in § 32 Ärzte-ZV finden lassen. So kann sich der Vertragsarzt bei Krankheit, Urlaub, Teilnahme an einer Fortbildung oder Wehrübung sowie in unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung vertreten lassen*. Andere Vertretungsgründe existieren nicht.


Sofern ein Vertragsarzt vorübergehend gehindert sein sollte, seinen vertragsärztlichen Pflichten vollumfänglich persönlich nachzukommen, ist es ihm gem. § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV in den dort genannten Fällen möglich, einen Vertreter oder Assistenten zu beschäftigen. So besteht u. a. die Option, einen sog. Sicherstellungs- bzw. Entlastungsassistenten während der Zeiten der Kindererziehung bis zu einer Dauer von 36 Monaten – wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss – anzustellen. Die Beschäftigung bedarf der vorherigen Genehmigung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV).

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich am 14.07.2021 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Genehmigung zur Beschäftigung eines Assistenten während der Erziehung eines Kindes, das bereits das 14., aber noch nicht 18. Lebensjahr vollendet hat, seitens der KV zu erteilen ist.

Diesem Verfahren vorangegangen war ein Antrag einer vertragsärztlich tätigen Gynäkologin, welche die Beschäftigung einer Assistentin für einen Zeitraum von knapp 27 Monaten beabsichtigte. Die Ärztin gab an, dass ein erhöhter Zeitbedarf für die Erziehung ihres bereits 15-jährigen Adoptivsohnes notwendig sei, um eine mögliche Retraumatisierung während seiner Pubertät zu vermeiden. Dieser zeitliche Betreuungsbedarf sei jedoch derzeit nicht mit ihrer vollen Arbeitstätigkeit in ihrer gynäkologischen Praxis zu vereinbaren, sodass sie die Genehmigung einer Entlastungsassistentin begehrte.


Die zuständige KV lehnte jenen Antrag ab und führte als Begründung aus, dass eine Entlastungsassistenz lediglich für die Betreuung von Kindern – unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII insofern Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind – vorgesehen sei. Aufgrund der Überschreitung dieser Altersgrenze könne die erforderliche Genehmigung nicht erteilt werden.

Nach Ansicht des BSG war der Ablehnungsbescheid jedoch rechtswidrig; die beantragte Genehmigung der Assistententätigkeit hätte seitens der KV erteilt werden müssen. Weder lasse sich dem § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV eine ausdrückliche Altersbeschränkung entnehmen noch könne der Begriff Kind in diesem speziellen Zusammenhang dahingehend verstanden werden, dass hiervon nur Personen erfasst sein sollen, die maximal das 14. Lebensjahr vollendet haben. Zwar definieren u.a. das SGB VIII, das JuSchG und das BEEG jeweils entsprechende Altersgrenzen im Zusammenhang mit dem Begriff Kind. Diese Regelung verfolgen jedoch andere Zielrichtungen als der § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV, sodass sich entsprechende Einschränkungen auch nicht durch Auslegung ergeben.


Zudem führte das BSG aus, dass es – entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG) – die Möglichkeit der Beschäftigung eines Assistenten dem Grunde nach für jedes zu erziehende Kind von jeweils 36 Monaten für zulässig erachte.

Von dem LSG wurde die Auffassung vertreten, dass diese Zeitspanne in der Gesamtheit, demnach unabhängig von der Zahl der Kinder, gelte. Das LSG begründete seine Entscheidung damit, dass bei einer Summierung der Kindererziehungszeiten andernfalls eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung zu befürchten sei.


Dieser Ansicht des LSG könne jedoch nicht gefolgt werden; dem Vertragsarzt muss prinzipiell die Möglichkeit eröffnet werden, für jedes Kind die Beschäftigung einer Assistenz beantragen zu können.

Gleichzeitig räumt das BSG aber ein, dass dieser Grundsatz einzuschränken ist, sofern während bestimmter Zeiträume mehrere Kinder gleichzeitig erzogen werden. Dem Vertragsarzt stehe in diesen Fällen der Genehmigungsanspruch nur einmal zu; eine Summierung der „fiktiven“ Kindererziehungszeiten hingegen sei ausgeschlossen.


Sollten Sie die Beschäftigung eines Sicherstellungs- bzw. Entlastungsassistenten beabsichtigen, stehen wir Ihnen gerne bei sämtlichen Fragestellungen zu dieser Thematik zur Verfügung und unterstützen Sie dabei, die in Ihrer individuellen Situation erforderlichen Anträge auf den Weg zu bringen.


*Wie das BSG die wechselseitige interne Vertretung von angestellten Ärzten im MVZ bewertet und was es in diesen Fällen grundsätzlich zu beachten gilt, können Sie gerne in unserem Blogbeitrag vom 26.06.2020 nachlesen.

Ann-Kathrin Pfeifer

Rechtsanwältin