Arbeitsrechtliche Folgen der Verweigerung einer COVID-19-Schutzimpfung
05.01.2022

Arbeitsrechtliche Folgen der Verweigerung einer COVID-19-Schutzimpfung

Arbeitsrechtliche Folgen der Verweigerung einer COVID-19-Schutzimpfung

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie führte der Gesetzgeber in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen eine „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ ein. Arbeitnehmer, die in Gesundheitseinrichtungen wie Arztpraxen und Krankenhäusern tätig sind, müssen bis zum Ablauf des 15.03.2022 nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können. Eine Einstellung ohne einen entsprechenden Nachweis kommt ab dem 16.03.2022 nicht in Betracht. Die Regelung entspricht der Verpflichtung des Nachweises eines Impfschutzes gegen Masern.


Ein Arbeitgeber ist verpflichtet, die Einhaltung der einrichtungsbezogenen COVID 19-Impfpflicht zu kontrollieren. Kommt der Arbeiternehmer der Nachweispflicht nicht nach oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, hat der Arbeitgeber unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt darüber zu informieren und dem Gesundheitsamt die erforderlichen personenbezogenen Daten weiterzuleiten.


Die entscheidende Frage ist aber, ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen darf, wenn er den nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erforderlichen Nachweis nicht erbringt. Da das Masernschutzgesetz, das erstmals eine „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ vorsah, erst ab dem 01.03.2020 in Kraft trat, gibt es noch keine Rechtsprechung zu der Frage, ob die Kündigung eines Arbeitnehmers, für den der Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes greift, sozial gerechtfertigt wäre, wenn dieser die erforderlichen Nachweise nicht vorlegt.


Diskutiert werden in der Literatur sowohl eine außerordentliche personenbedingte Kündigung, die keiner Abmahnung bedarf, als auch eine verhaltensbedingte Kündigung, die ggf. der vorherigen Abmahnung bedarf.


Wir sind der Auffassung, dass die Weigerung die nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erforderlichen Nachweise vorzulegen zumindest dann einen personenbedingten und außerordentlichen Kündigungsgrund darstellt, wenn der Arbeitnehmer nicht ohne Patientenkontakt eingesetzt werden kann und das Gesundheitsamt dem Arbeitnehmer verboten hat, in der betroffenen Einrichtung tätig zu sein. Die Weigerung, die gesetzlich geforderten Nachweise vorzulegen, führt dann zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nicht in der Einrichtung einsetzen. Der Arbeitnehmer kann seine geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. Sie ist ihm aufgrund des Beschäftigungsverbotes unmöglich geworden. Unseres Erachtens ist daher die Rechtsprechung zum Verlust des Führerscheins bei Berufskraftfahrern auf den vorliegenden Fall übertragbar. Relevant wird im Rahmen der Interessenabwägung allerdings die Frage sein, wie lange das Tätigkeitsverbot prognostisch besteht (§ 20a IfSG soll zum 01.01.2023 aufgehoben werden) und wie die dringend der Arbeitgeber auf die Arbeitskraft angewiesen ist. Aufgrund der offenen Rechtsfragen ist mit langwierigen Prozessen zu rechnen. Mangels entsprechender Rechtsprechung besteht allerdings ein Risiko, dass sich ein Gericht unserer Auffassung nicht anschließt.


Liegt (noch) kein behördliches Verbot vor, in der Praxis bzw. Einrichtung tätig zu werden, ist bei Nichtvorlage der gesetzlich erforderlichen Nachweise eine ordentliche oder außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu erwägen. Hat der Arbeitnehmer nicht unmissverständlich und nachweisbar mitgeteilt, dass er die erforderlichen Nachweise auf keinen Fall erbringen werde, ist eine Abmahnung, die den Anforderungen der Rechtsprechung entspricht, samt Fristsetzung zur Vorlage der Nachweise auszusprechen. Für den Arbeitnehmer dürfte von Bedeutung sein, dass er ohne die Nachweise keine andere Anstellung in einer entsprechenden Einrichtung erhalten wird. Ein Hinweis hierauf in der Abmahnung könnte eine Änderung des Verhaltens herbeiführen. Kommt der Arbeitnehmer der Aufforderung nicht nach und kann er nicht auf einem Arbeitsplatz ohne Patientenkontakt eingesetzt werden, kann nach unserer Auffassung im Ausnahmefall eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein, wenn das zu erwartende Tätigkeitsverbot die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt oder die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Schutz besonders vulnerabler Patienten die Interessen des Arbeitnehmers überwiegt. Auch bzgl. verhaltensbedingter Kündigungen besteht ein Kosten- und Prozessrisiko, sodass wir eine vorherige Beratung empfehlen. Aspekte des Einzelfalls sind bei der erforderlichen Abwägung der Interessen des Arbeitgebers mit denen des Arbeitnehmers stets relevant.


Zu der Frage, ob Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch haben, wenn das Gesundheitsamt ihnen gegenüber ein Verbot ausgesprochen hat, die Praxis bzw. die Einrichtung zu betreten, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit recht vage:


„In diesen Fällen dürften im Ergebnis für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen.“

(https://www.zusammengegencorona.de/impfen/gesundheits-und-pflegeberufe-impfen/einrichtungsbezogene-impfpflicht/)


Da nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes ein Arbeitnehmer keine Entschädigung erhält, wenn er das Verbot der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit durch die Inanspruchnahme einer Schutzimpfung hätte vermeiden können, sind wir der Auffassung, dass ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Vergütung in diesem Fall ebenfalls ausscheidet. Nach § 616 BGB besteht nur ein Anspruch auf Vergütung, wenn der Verhinderungsgrund nicht schuldhaft herbeigeführt wurde. Auch hierüber werden Gerichte noch zu entscheiden haben. 

Dr. Caterina Wehage

Rechtsanwältin