Zur arglistigen Täuschung bei Angaben zu Chefarzterfahrung im Bewerbungsgespräch
Zur arglistigen Täuschung bei Angaben zu Chefarzterfahrung im Bewerbungsgespräch
Ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin bewarb sich auf eine Stelle als ärztlicher Direktor bei einer Gesundheitseinrichtung. In dem Bewerbungsgespräch gab er an, dass er über Führungserfahrung verfüge und zuvor auf Honorarbasis die Vertretung für Chef- und Oberärzt:innen wahrgenommen habe. In der Folge erhielt der Arzt die Stelle. Sobald der Arzt seine Stelle als ärztlicher Direktor angetreten ist, erkannte die Arbeitgeberin, dass der Arzt nicht über diejenige Erfahrung verfügte, die sie sich infolge der Ausführungen im Bewerbungsgespräch erhofft hatte. Aus diesem Grund erklärte die Arbeitgeberin die Anfechtung des Arbeitsvertrages mit dem Arzt wegen arglistiger Täuschung. Die Arbeitgeberin führte aus, sie wäre das Arbeitsverhältnis mit dem Arzt nicht eingegangen, wenn ihr die fehlenden Erfahrungen vor Vertragsschluss bekannt gewesen wären.
Der Arzt wehrte sich gegen den Vorwurf der arglistigen Täuschung und beschritt den Rechtsweg. Er entgegnete der Arbeitgeberin, dass die Anfechtung seines Arbeitsvertrages unwirksam sei. Die Arbeitgeberin bekräftigte ihre Position damit, dass die Angaben des Arztes im Bewerbungsgespräch zu seinen Berufserfahrungen, insbesondere zu Chefarzttätigkeiten, bewusst unrichtig seien. In erster Instanz gewann der Arzt das Verfahren (Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.10.2023 – 2 Ca 4147/23). Daraufhin legte die Arbeitgeberin Berufung ein. Auch das Berufungsverfahren gewann der Arzt (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 31.10.2024 – 8 Sa 641/23).
Das Obsiegen der ersten Instanz wurde damit begründet, dass kein Anfechtungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB gegeben sei. Eine mögliche Fehlvorstellung der Arbeitgeberin dahingehend, dass der Arzt Leitender Oberarzt war, dem die ständige Vertretung des Chefarztes vom damaligen Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden war, konnte objektiv nicht auf eine Täuschung des Arztes zurückgeführt werden, da dieser nur angegeben habe, auf Honorarbasis die Vertretung von Chef- und Oberärzt:innen wahrgenommen zu haben.
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte diese Entscheidung und bekräftigte, dass die falsche Beantwortung einer dem Arzt bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage die Arbeitgeberin dazu berechtigten kann, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war. Hier lag aber keine arglistige Täuschung vor, weil die Arbeitgeberin im Bewerbungsgespräch gar nicht deutlich machte, welche konkreten Erfahrungen wofür genau abgefragt wurden. Dem Arzt konnte damit gar nicht bewusst sein, dass er mit seiner Bestätigung, auf Honorarbasis Chefarztvertretungen durchgeführt zu haben, bewusst irrige Vorstellungen bei der Arbeitgeberin verursacht hat. Wenn es der Arbeitgeberin darauf angekommen wäre, dass der Arzt über Leitungserfahrung in für sie maßgeblichem Umfang verfügen solle, hätte es einer konkreten Nachfrage bedurft. Erst dann hätte dem Arzt bewusst sein müssen, welche Bedeutung die Arbeitgeberin seiner geschilderten Erfahrung beimaß. So wie hier musste der Arzt nicht annehmen, durch seine Antwort eine Fehlvorstellung auszulösen. Deshalb konnte der Arbeitsvertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.