Das Hinterbliebenengeld bei ärztlichen Behandlungsfehlern

Das Hinterbliebenengeld bei ärztlichen Behandlungsfehlern

Das Hinterbliebenengeld bei ärztlichen Behandlungsfehlern

Der BGH erläutert in seiner Entscheidung vom 06.12.2022 (VI ZR 73/21) den Hintergrund und die Bedeutung von Hinterbliebenengeld. Hinterbliebenengeld stellt eine Geldleistung an nahe Angehörige von Getöteten dar. Auch wenn hierdurch die seelischen Beeinträchtigungen durch den Tod einer geliebten Person nicht aus der Welt geschaffen werden könne, soll mit der Entschädigung das mit dem Verlust des Angehörigen verbundene seelische Leid wenigstens gelindert werden.


Ein maßgebliches Näheverhältnis zur getöteten Person wird etwa bei Ehepartner:innen, Eltern und Kindern widerlegbar vermutet, kann aber auch in anderen Konstellationen vorliegen, wenn dies entsprechend nachgewiesen wird.


Ein Hinterbliebenengeld kann bei einem ärztlichen Behandlungsfehler mit Todesfolge in Betracht kommen. Zu unterscheiden ist das Hinterbliebenengeld von Schmerzensgeld. Schmerzensgeld erhalten diejenigen Personen, die aufgrund eines widerrechtlichen Ereignisses einen eigenen, unmittelbaren Schaden erlitten haben. Hinterbliebene einer durch einen Behandlungsfehler getöteten Person sind jedoch zumeist nicht in ihren eigenen Rechtsgütern (Leben, Körper, Gesundheit) verletzt. Insofern steht diesen Personen oftmals kein Schmerzensgeld zu. Das Hinterbliebenengeld spricht nahen Angehörigen getöteter Personen dennoch einen Geldbetrag zu, obwohl keine eigene Verletzung vorliegt.


Das Hinterbliebenengeld dient dem Zweck, für immaterielle Beeinträchtigungen unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsverletzung einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld einzuräumen. Die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen ist dabei zu bewerten. Maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung sind vor allem die Intensität und die Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens der Ärzt:innen. Aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung der verstorbenen Person für die anspruchsstellende Person und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung lassen sich Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten. Der in dem Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD genannte Betrag in Höhe von 10.000,00 EUR bietet eine Orientierungshilfe für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung, von welcher im Einzelfall nach unten sowie oben abgewichen werden kann. Da das Hinterbliebenengeld anders als das Schmerzensgeld gerade keine eigene Gesundheitsverletzung verlangt, sollte der Betrag der Hinterbliebenenentschädigung hinter demjenigen Betrag zurückbleiben, der einer geschädigten Person zustünde, wenn das erlittene seelische Leid die Qualität einer Gesundheitsverletzung hätte.


Der BGH stellt mit dieser Entscheidung Folgendes fest: Hinterbliebenengeld kann allein wegen des erlittenen seelischen Leids durch den Tod einer geliebten Person beansprucht werden. Zudem kann Schmerzensgeld wegen einer eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung bestehen.

Anika Isernhagen

Rechtsanwältin