Anspruch auf maximalen Bonus bei verspätet vorgelegter Zielvereinbarung
05.07.2024

Anspruch auf maximalen Bonus bei verspätet vorgelegter Zielvereinbarung

Anspruch auf maximalen Bonus bei verspätet vorgelegter Zielvereinbarung

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein stellte fest, dass Chefärzt:innen einen Anspruch auf den maximal möglichen Bonus haben, wenn in dem Arbeitsvertrag ein Bonus bei Erreichen einer festzulegenden Zielvereinbarung vereinbart ist und die dafür zu vereinbarende Zielvereinbarung durch die Klinik verspätet vorgelegt wird (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.07.2023 – 2 Sa 150/22).


Ist im Chefarztvertrag ein Stichtag für den Abschluss einer Zielvereinbarung vereinbart, bei deren Erreichen ein Bonus beansprucht werden kann, ist dieser Stichtag zwingend einzuhalten, weil er beide Parteien bindet und ausschlaggebend für die Anreizfunktion der Zielvereinbarung ist.  Eine Zielvereinbarung, die bei Zielerreichung den Anspruch auf einen Bonus begründet, kann aufgrund der damit verfolgten Leistungsorientierung und Motivation ihre Anreizfunktion nur erfüllen, wenn Chefärzt:innen bereits bei der Ausübung der Tätigkeit die zu verfolgenden Ziele bekannt sind. Nur so können Chefärzt:innen wissen, auf welche persönlichen und/oder unternehmensbezogenen Ziele die Klinik für den vereinbarten Zeitraum besonderen Wert legt und bei Erreichen der Ziele bereit ist, den vereinbarten Bonus – ggf. auch etappenweise – zu zahlen. Wird der Stichtag für die Vereinbarung der Zielvereinbarung überschritten, können Chefärzt:innen nicht wissen, wo das Hauptaugenmerk der Klinik liegt und inwiefern sie ihre persönliche Leistung den Anforderungen, die eine Bonusleistung auslösen können, anpassen können. 


Wird Chefärzt:innen, deren Arbeitsvertrag eine entsprechende Bonus-Regelung enthält, nicht bis zum im Arbeitsvertrag geregelten Stichtag ein Angebot zum Abschluss einer Zielvereinbarung vorgelegt, verletzen Arbeitgeber:innen eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Ohne Festlegung der Ziele durch die Klinik, können Chefärzt:innen nicht wissen, welche Ziele ihnen abverlangt werden. Die versäumte Erstellung einer Zielvereinbarung mit eindeutigen und verständlichen Vorgaben und Angaben zu den Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten stellt eine Pflichtverletzung dar, die einen Schadensersatzanspruch auslöst. Chefärzt:innen wird die Möglichkeit genommen, die potentiellen Ziele ab dem Stichtag gänzlich, teil- oder etappenweise zu erreichen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Chefärzt:innen vereinbarte Ziele erreicht hätten, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche Umstände wären seitens der Klinik nachzuweisen.


Wird sich bereits über die Inhalte der Zielvereinbarung aus dem Vorjahr gestritten, ist eine Aufforderung von Chefärzt:innen, eine Zielvereinbarung für das laufende Jahr abzuschließen, entbehrlich.


Vor diesem Hintergrund können Chefärzt:innen die Auszahlung des Bonus verlangen, ohne die Ziele (vollumfänglich) erreicht zu haben, weil ihnen die Ziele nicht (rechtzeitig) bekannt waren. 

Anika Isernhagen

Rechtsanwältin